Kaufberatung für Fahrradbekleidung

Wenn es um Radbekleidung geht, sagt der Preis wenig über die Qualität. Das Trikot vom Wühltisch kann das richtige sein, die Hose vom selben Anbieter ein völliger Flop. Und die Binsenweisheit, dass die Sachen eigentlich nur passen müssen, verschweigt die wichtige Rolle des Materials.
Ratlos im Radladen?
Mit den folgenden Tipps findet jeder seine Garderobe für die neue Saison. Denn nur der Geschmack ist wirklich Geschmackssache.

 

Trikots

Ein Radtrikot ist mehr als eine Werbefläche mit Rückentaschen. Es sichert, besonders in Kombination mit einem Funktionsunterhemd, dass der Schweiß gleichmäßig verdunstet. Der Körper kühlt nicht aus und überhitzt nicht.

  • Praktisch alle Radtrikots bestehen aus Polyester. Trotzdem gibt es große Funtionsunterschiede der Fasern, die auch Preisunterschiede rechtfertigen. Zweiflächige Gestricke wie “Drylete” oder Microsensor”, bei denen sich Innen- und Außenseite strukturell unterscheiden, können für stark Schwitzende besser sein als Standardmaterial.
  • Trikots im Raglanschnitt, bei dem die Ärmelnaht vom Kragen Richtung Achsel - und zurück - verläuft, sitzen meist besser als solche im klassischen T-Shirt-Schnitt.
  • Zu weite Trikots verschlechtern die Temperaturregelung und spürbar den Luftwiderstand.
  • Durchgehende Reißverschlüsse haben zwei Nachteile: In Radhaltung werfen solche Trikots Falten am Bauch. Außerdem können die Reißverschlussenden die Hose aufscheuern. Für die Kühlung bergauf genügt es, wenn Zipper oberhalb des Bauchnabels enden.
  • Knallige Farben sind trotz des aktuellen Trends zu dunklen Farbtönen bei Trikot aus Sicherheitsgründen wichtig!
  • Passt das Trikot, reichen die Rückentaschen maximal bis zur Höhe des Steißbeins. Im Sattel sitzend anprobieren!
  • Trikots mit hohem Elasthan-Anteil sitzen zwar eng, hängen aber schnell durch, wenn man die Rückentaschen bepackt.
  • Die klassischen, senkrecht geteilten und oben offenen Trikottaschen sind weiterhin top, Querliegende Rückentaschen mit seitlichem Reißverschluss taugen für Sportler wenig.
  • Frauentrikots kranken meist an winzigen Rückentäschchen.
  • Die tiefen Dekolletés mancher Frauentrikots eignen sich als Blick, aber auch als Wespenfang. Keine gute Idee.
  • Einteiler sind für Frauen extrem unpraktisch beim “Boxenstopp” unterwegs.

 

Hosen

An der Notwendigkeit spezieller Radhosen gibt es keinen Zweifel - auch nicht daran, dass sie grundsätzlich ohne Unterhose getragen werden. Ihre Preisspanne reicht von etwa 40 bis 180 Euro (Assos), deshalb lohnt ein Blick auf die kleinen Unterschiede.

  • Trägerhosen halten das Sitzleder am besten dort, wo es hingehört, Frauen sind in der Trägerfrage unterschiedlicher Meinung. Frühestens bei der Anprobe zeigt sich, ob die Träger unangenehm auf der Brust spannen.
  • Es gibt praktisch nur noch Sitzleder aus Kunstfaser. Leder ist wesentlich schlechter waschbar. Dicker Schaumstoff unter dem Kunstleder sagt nichts über den Fahrkomfort. Die Hauptaufgabe des Schaumstoffes ist es, das Sitzleder in Form zu halten.
  • Mehrteilige Sitzleder sind grundsätzlich weder besser noch schlechter als einteilige. Auf keinen Fall sollte es aber eine Naht geben, die zusammen mit den anderen Nähten der Hose störend aufträgt.
  • Sind Radhosen zu klein, scheuern sie am Rand des Sitzleders. Passiert das trotz passender Hose, kann ein elastisches Leder (etwa bei Assos oder Descente) die teure Lösung sein.
  • Antirutsch-Bündchen im Beinabschluss enthalten meist Latex. Allergiker müssen nach Alternativen suchen oder die Bündchen beim Fahren umklappen. Das ist derzeit ohnehin “chic”.
  • Fast alle Radhosen bestehen aus Polyamid und Elasthan (bekannter Markenname: Lycra). Die Unterschiede liegen im Detail und sind zu erkennen, wenn man die Stoffe über den Daumen spannt und vergleicht: Je feiner und dichter die Fäden verstrickt sind, desto hochwertiger ist meist das Material. Wie haltbar eine Hose ist, lässt sich vor dem Kauf jedoch kaum sagen. Als erstes versagt meist die Naht.
  • Die “Flachnaht”, ein außen sichtbarer Overlock-Stich, erhöht erfahrungsgemäß den Tragekomfort nur wenig. Wichtiger ist, dass sich nicht sämtliche Stoffbahnen in einem Nahtknubbel im Schritt treffen.
  • Hosen, die auf dem Rad passen, kneifen im Stehen fast immer im Schritt. Deshalb unbedingt in Radhaltung anprobieren.
  • Wer die typische scharfkantige Radlerbräune nicht mag, kann verschieden lange Modelle kaufen. Spziell für Frauen gibt es sehr kurze Shorts, die sich jedoch für lange Ausfahrten weniger eignen.

 

Handschuhe

Nachdem Lenkerbänder in den achtziger Jahren immer komfortabler wurden, ist die schiere Vibrationsdämpfung nicht mehr die Hauptaufgabe von Handschuhen. Heute sollen sie vor allem die Handflächen schützen: bei Vielfahrern vor Schwielen oder Blasen, bei Stürzen vor Kontakt mit rauem Asphalt.

  • Echtes Leder auf der Handfläche behält seine Berechtigung. Es ist haltbar und hautfreundlich. Nicht jedes Leder ist problemlos waschbar. Tipp: Waschbarkeit vom Verkäufer zusichern lassen. Gewaschene Leder-Handflächen noch feucht mit fettiger Hautcreme einreiben.
  • Manche synthetische Rauleder sind dem Naturmaterial fast ebenbürtig, textile Gewebe jedoch nicht.
  • Radhandschuhe mit Leder-Innenhand eher etwas zu knapp als zu groß kaufen. Sie weiten sich.
  • Großzügiger Frotteebesatz am Daumen wischt Schweiß von der Stirn und die Rotznase sauber.
  • Manche Handschuhe (etwa von Chiba oder Roeckl) haben kleine Schlaufen zwischen den Fingern, die das Ausziehen erleichtern.
  • Gegen dauernd einschlafende Finger können spezielle Polster wie Specializeds “body geometry” helfen. Wer keine Probleme damit hat, fühlt sich durch die dicken Polster eher gestört.

 

Westen

Windwesten passen in jede Trikottasche. Wer sein Rad freihändig beherrscht, kann sie schnell während der Fahrt an- und ausziehen. Die Leichtgewichte stoppen den Wind am Körper, erhöhen die gefühlte Temperatur um etwa fünf Grad.

  • Modelle mit Netzrücken sind leichter und besser belüftet. Sie flattern weniger, weil vorne eingeströmte Luft sofort hinten entweicht.
  • Die Schulterpartie sollte winddicht abgedeckt sein.
  • Ob die Front aus Microfaser oder Gore-Windstopper besteht, ist egal.
  • Elastisch eingefasste Armlöcher verringern die Flattergefahr, sind aber weniger angenehm, wenn man die Weste auch zum Laufen tragen möchte. Im Zweifelsfall die Weste eine Nummer kleiner kaufen.
  • Ein hoch schließender Kragen weist den Wind ab.

 

Unterhemden

Die Tatsache, dass die besten Funktionsfasern von Trikot und Regenjacke nichts nützen, wenn man ein Baumwoll-T-Shirt darunter trägt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Doch welches “Funtionshemd” ist das richtige?

  • Auch wenn man weite Trikots bevorzugt: Das Unterhemd muss eng sitzen, um den Schweiß direkt auf der Haut zu verteilen. So kann er großflächig verdunsten.
  • Stoffe mit hohem Elasthan-(Lycra-)Anteil sitzen eng, trocknen aber langsamer.
  • Die Kunstfaser Polypropylen, etwa Schöffel “X-light”, nimmt extrem wenig Wasser auf. Sie bleibt praktisch trocken. Deshalb fühlt man sich in Hemden aus dieser Faser meist wärmer als in solchen aus Polyester - was gerade im Sommer nicht jeder mab.
  • Begrenzt die Waschanleitung die empfohlene Temperatur auf 40 Grad, so ist das kein Mangel: Die Faser wird auch bei dieser Waschtemperatur sauber.
  • Bei fast allen Fabrikaten reduziert eine Bakterien hemmende Behandlung die Geruchsbildung - solange das Hemd neu ist. Nach häufigem Waschen lässt der Effekt nach.
  • Neue Fasern mit Solberanteil, etwa “Xstatic”, sollen den Geruch dauerhaft und ohne Nebenwirkungen verhindern.
  • Neue Unterhemden vor Gebrauch mindestens einmal waschen. Nicht jeder verträgt chemisch behandelte Textilien direkt auf schwitzender Haut.
  • Ein Windschutz im Unterhemd ist weniger sinnvoll als eine schützende Weste.

 

Stulpen

Arm- und Kniestulpen sind so ziemlich die pfiffigsten Teile der Radbekleidung. Sie machen aus einem reinen Sommerdress eine Ausstattung, die auch in der Kühle des Morgens oder Abends noch funktioniert. Dabei sind etwas längere Kniestulpen, die von der Mitte des Oberschenkels bis über die Wade reichen, im Sommer praktischer als lange Beinstulpen: Sie lassen sich leichter über die Schuhe an- und ausziehen.

  • Das Material der Stulpen sollte etwas wärmer sein als das von Hose und Kurzarmtrikot, da Arme und Beine durch den Fahrtwind besonders kälteanfällig sind.
  • Armstulpen können ruhig eng sitzen, Kniestulpen sollten wegen der Blutzirkulation dagegen genau passen.
  • Armstulpen sitzen besser, wenn sie Anirutsch-Bündchen besitzen oder über dem Ärmel des Unterhemds abschließen. Notfalls - die Optik leidet - auch über dem Ärmel des Trikots. Kniestulpen enden oben immer unter der Hose.
  • Nähte in der Kniekehle können die Haut aufscheuern.
  • Stulpen, die das Knie nur knapp bedecken, rutschen während der Fahrt hoch in die Kniekehle. Sie sollten deshalb über die dickste Stelle des Wadenmuskels reichen.
  • Styling: Schwarz ist ie falsch. Außerdem erwärmt es sich schnell bei Sonnenschein.
  • Reflexstreifen sind sinnvoll, da Stulpen oft bei Dämmerung oder trübem Wetter gefahren werden.

 

Socken

Seit die UCI weiße Socken nicht mehr vorschreibt, haben auch Profi-Radler ein Problem weniger. Weiß ist zwar sicher, weil gut sichtbar, aber auf Dauer nicht strahlend. Hobbyfahrer müssen sich nicht mehr für ihre bunten Socken schämen, sofern sie knapp über dem Knöchel enden und zum restlichen Outfit passen. Nun gut: Weiß passte immer......

  • Baumwollsocken meiden. Sie trocknen langsam und verlieren nass ihre Form. Bei Regenfahrten werfen sie daher oft dicke Falten. Ein verbreitetes Material für Radsocken ist Polyester, oft als “Coolmax”-Markenfaser.
  • Vor allem Socken mit hohem Naturfaseranteil eher zu klein als zu groß kaufen.
  • Sommertipp: So genannte “Booties” zulegen. Ihr Schaft endet auf Höhe der Schuh-Oberkante und entschärft so die unbeliebte, deutlich abgegrenzte “Radlerbräune”. Ganz ohne Sochen stinken die Schuhe schneller.
  • Verstärkte Fersen- und Zehenbereiche verlängern die Haltbarkeit.

Quelle: tour 5/03

 


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